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Ödön von Horváth: Jugend ohne Gott. Roman, Reclam Bd. 18612; ISBN 978-3-15-018612-1

Veröffentlicht am 10.04.2015

An einem Märztag im Jahre 1936 (das Jahr konnte aufgrund von Ereignissen rekonstruiert werden) korrigiert ein junger Lehrer Schüleraufsätze mit dem Thema: Warum müssen wir Kolonien haben. Die Ergebnisse sind, wie zu erwarten, von nationalsozialistischem Gedankengut durchzogen. Aber wirklich übel stoßen dem Lehrer Verallgemeinerungen auf, wie „alle Neger sind listig, feig und faul“. Wohl wissend um das heikle Thema weist er im Unterricht darauf hin, dass auch Neger Menschen seien. Aber schon das ist Anlass genug, die Masse der Jungs samt ihrer Eltern gegen ihn aufzubringen.  Er wappnet sich mit Gleichmut, Pokerface und steter Aufmerksamkeit. Bis er samt Klasse in ein Ferienzeltlager mit Aktivitäten paramilitärischer Couleur fährt. Dort beobachtet er zum einen Kinder, wild, offenbar heimatlos und kriminell, zum anderen, wie ein Junge seiner Klasse sich ständig mit einem anderen prügelt, mit dem er sich das Zelt teilt. Dinge verschwinden, die Atmosphäre wird von gegenseitigem Misstrauen beherrscht. Den Lehrer plagt Neugier, glaubt er doch, den Dingen auf die Spur kommen zu können. Er öffnet heimlich eine Kasette, worin das Tagebuch eines Schülers verschlossen ist, liest es und schleicht schlussendlich hinter dem Schüler her. Belauscht Zärtlichkeiten und Treueversprechen.

All das hat Folgen. Am nächsten Morgen wird einer der Schüler erst vermisst, dann tot aufgefunden. Der Tagebuchschreiber und Verehrer des Mädchens bekennt sich zu der Tat. Er habe den anderen erschlagen, weil dieser das Tagebuch aus der Kassette geholt und gelesen habe. Es kommt zum Prozess. Der Lehrer leidet zunehmend unter Gewissensbissen. Er entschließt sich vor Gericht zur Wahrheit.

Doch dies ist noch nicht die letzte überraschende Wende in Horváths Stück. Der Roman liest sich flüssig, wartet mit unzähligen thematischen wie sprachlichen Anspielungen und Bezügen auf. Eingeteilt in 44 klare Kapitel, deren Überschriften wie Kommentare wirken, verschränkt er mit großer Geschwindigkeit das Bündel klarer Motivketten. Dabei ist der Roman keineswegs einfach als antifaschistisch einzustufen. Ebenso deutlich zeichnet sich das Motiv der Läuterung ab: Persönliche Schuld, die nicht nur eine, sondern beinahe eine Kette von Katastrophen nach sich zieht, und der Zwiespalt, sich dazu zu bekennen und schlimmeres zu verhindern oder zu schweigen und andere die Folgen ausbaden zu lassen – welch herber, die Seele zerreißender Zustand.

Der Roman war Ende 1937 in einem Amsterdamer Exilverlag erschienen und konnte in den wenigen Monaten bis zu seinem Verbot im Deutschen Reich hier schon hunderte Verkäufe verzeichnen. Die Reaktion der literarischen Welt war durchweg positiv, namhafte Kollegen wie Hermann Hesse oder Thomas Mann zeigten sich sehr beeindruckt.

Heute ist Horváths Roman längst zur Schullektüre avanciert. Und dies zurecht.

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